SONIA LEIMER
TOBIAS PILS
HANS SCHABUS
Wie umgehen mit existenziellen Ungewissheiten? Wie mit Spannungsfeldern, die sie eröffnen und der Schwebe, in der sie uns halten? Fragen, die in der Ausstellung Gezeiten aufkommen, die erstmals in der Galerie in der Domgasse 6 Werke von Sonia Leimer, Tobias Pils und Hans Schabus vereint.
Sonia Leimer, die sich in ihrer künstlerischen Arbeitsweise mit unseren Lebensräumen, deren Zustand und Zukunft auseinandersetzt, zeigt zwei Skulpturen aus der Werkgruppe Space Junks. Die auf dem Boden platzierten Edelstahlobjekte setzen sich aus jeweils zwei Halbkugeln, die mit einem zylindrischen Ring verbunden sind, zusammen. In Kontrast zur Symmetrie der Skulpturen mit ihren gerillten, handwerklich perfekt gearbeiteten Oberflächen stehen die Anlauffarben der Schweißstellen sowie Löcher, die die Außenhülle aufreißen und den Blick ins dunkle Innere der Formen freigeben. Geleitet vom Werktitel erinnern die technisch anmutenden Konstruktionen an Weltraumschrott, der, ohne in der Atmosphäre zu verglühen, direkt auf die Erdoberfläche aufschlägt. Die Objekte mit ihren Deformationen sind Zeugnisse eines Richtungswechsels, einer ungeplanten Wegstrecke, bestimmt von der komplexen Beziehung zwischen Mensch, Technik und Natur.
Universellen Themen von Vergänglichkeit und Zeitlichkeit widmen sich Tobias Pils’ rätselhafte Bilder. Er verbindet figürliche und surreale Motive zu eigenwilligen, mehrdeutigen Bilderwelten, die unterschiedliche Interpretationen zulassen. Im Mittelpunkt stehen Figuren, deren Bezüge zueinander und zu ihrer Umgebung im Unklaren bleiben. Sie sind vertikal, wie horizontal im Bildraum positioniert oder werden durch verschiedenfarbige Hintergründe hinterfangen, die sie gleichzeitig voneinander abgrenzen. Die Titel der Bilder – von innen nach außen und von außen nach innen – verweisen auf Perspektivwechsel und Verschiebungen, die ihre Protagonist:innen in der Ambivalenz halten. Gleichzeitig deutet Pils durch seine Farbgebung Spielräume für die Akteur:innen an. Seine üblicherweise reduzierte Farbpalette von Schwarz, Weiß und Grautönen wird um kräftiges Blau und sattes Grün erweitert. Damit betont er Hände und Füße der Figuren – Körperteile, die maßgeblich Handlungen oder Richtungen bestimmen.
„Bildhauerwerkstatt“ lautet die Bezeichnung eines Sternbildes im Südhimmel. Einem Sternbild gleich schwebt auch Hans Schabus’ groß dimensioniertes Mobile Bildhauerwerkstatt (my house is on fire) im Galerieraum – zusammengesetzt aus einem Reifen, einer Türe sowie einem Treppenfragment. Der Raum mit seiner Geschichte und Infrastrukturen sowie seinem Verhältnis zu den Betrachtenden steht im Mittelpunkt von Schabus’ skulpturalem und installativem Werk. Mit Bildhauerwerkstatt (my house is on fire) verschränkt er den privaten Ort der künstlerischen Produktion mit jenem, an dem diese abgeschlossen ist und sich einer Öffentlichkeit präsentiert. Der Zusatztitel my house is on fire irritiert und suggeriert eine existenzielle Bedrohung, die buchstäblich im Raum schwebt, uns jedoch durch den fehlenden Kontext im Ungewissen lässt. Die verkohlt wirkenden Elemente des Mobiles mögen einen Hinweis geben. Sie haben ihre Erscheinung durch die Behandlung mit Holzteeröl erhalten und eröffnen Assoziationen, die mit dem Ende des fossilen Zeitalters und einer damit einhergehenden, noch unbestimmten Transformation verknüpft sind.
Den Gezeiten, den sich wiederholenden Wasserbewegungen der Meere, liegen Regelmäßigkeiten zugrunde. Ihre Dynamiken und damit Einwirkungen auf die Natur und unsere Lebensräume entziehen sich jedoch unserer Kontrolle und unseren Gewissheiten. So sind auch die Arbeiten von Sonia Leimer, Tobias Pils und Hans Schabus als Ausdruck eines bestimmten Kontrollverlustes, eines nach Orientierung suchenden Schwebezustandes zu lesen. Das Ungewisse als Gewissheit zu begreifen manifestiert sich in den Werken – eine wenig illusorische, dennoch ermutigende Perspektive.