Frei nach Schiller
Zwei starke, stolze, sture Frauen im Kreuzfeuer von Macht, Moral und dem Abwägen von Möglichkeiten. Plass überschreibt Schillers Meisterwerk und zieht die politischen Parallelen ins Heute: Macht will keine Kontrolle, Macht will ungehindert machen!
Wiederaufnahme wegen des großen Erfolgs: Eine Frau, die durch ihre nicht zu bändigende Leidenschaft, ihr politisches Ungeschick, aber auch durch Pech zur brennendsten politischen Gefangenen des 16. Jahrhunderts wurde. Mitten in der wohl heißesten Phase der europäischen Religions-Konflikte. Ein Drama, das Shakespeare aus nachvollziehbaren Gründen nicht anfassen konnte, da der leibliche Sohn dieser Unglücklichen sein Auftrag- und Geldgeber war. Dieses Drama hat Schiller dann geschrieben. Und verfasste ein nahezu perfektes Stück. Warum es also neu schreiben? Neu denken? Die Geschichte stellt den dramatischen Konflikt, der ja das Lebendige und Lehrreiche innerhalb des Vorgangs ist, unter eine patinierte Glocke, bis dieser fast am Staub erstickt. Man muss da also mal etwas husten. Zu weit wäre es sonst weg, dieses 16. Jahrhundert.
Aber sind wir wirklich so anders als die Menschen damals? Auch in unserem geschichtlichen Ausschnittsfenster hat sich ja ein Gewissens- oder Gesinnungs-Konflikt aufgebaut, der gewisse Übertretungen als „Sünde“ ahndet, sie nicht zulässt und das Zuwiderhandeln genau wie damals verfolgt: mit politischer Gefangenschaft, Exilierung (freiwillig oder eben nicht), Füsilierung (offen oder verdeckt). Politische Gegner*innen werden immer noch gerne angeklagt. Zunächst werden sie bepatzt, dann neu erzählt oder eine unzuträgliche Meinung über sie verbreitet. Auch einige Journalist*innen kommen einem da in den Sinn. Unangenehm, lästig und entlarvend. Wie wird man die auf legale Weise wieder los? Jedenfalls nicht im Rahmen der liberalen westlichen Ordnung, auf die wir alle doch so stolz sind.
Auf gut Deutsch: Es hat sich nichts geändert – Macht braucht keine Kontrolle. Macht möchte ungehindert machen. Und wenn Macht mit Machtgrenzen konfrontiert wird, unterliegt sie nur allzu gerne der Versuchung, diese zu überschreiten. So wie die eigentliche Machtfrau in diesem Stück –die nicht die Titelrolle ist.